Wissenswertes über den Tortuguero-Nationalpark
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Das Dorf am Ende der Welt
Tortuguero liegt an der wildromantischen Karibikküste Costa Ricas, eingebettet zwischen Meer, Kanälen und dichtem Regenwald. Der Ort mit rund 1.200 Einwohnern ist nur per Boot oder Kleinflugzeug erreichbar – schon die Anreise wird so zum Abenteuer.
Sein Name kommt vom spanischen tortuga (Schildkröte) und bedeutet „Ort, an den die Schildkröten kommen“. Tatsächlich ist der kilometerlange Strand der wichtigste Nistplatz der Grünen Meeresschildkröte in der gesamten westlichen Hemisphäre.
Geschichte: Das Dorf wurde in den 1930er-Jahren von einer kolumbianischen Familie gegründet, die Kokosnüsse anbaute und von der Jagd auf Schildkröten lebte. In den 1940er-Jahren kamen US-Holzfällerfirmen, die die wertvollen Hölzer der Region nutzten. Viele Arbeitskräfte wanderten aus Nicaragua ein – die Grundlage des heutigen Tortuguero.
Einen Wendepunkt brachte der Biologe Archie Carr: Er erforschte hier ab den 1950er-Jahren die Meeresschildkröten und setzte sich gegen deren massenhafte Jagd ein. 1975 wurde schließlich der Tortuguero Nationalpark gegründet. Heute schützt er neben dem Dorf auch riesige Regenwaldflächen und Teile der Karibikküste.
Natur & Regenwald
Der immerfeuchte Tieflandregenwald von Tortuguero ist einer der letzten Reste des atlantischen Regenwaldes in Mittelamerika. Anders als an der Pazifikküste gibt es hier keine ausgeprägte Trockenzeit. Mit rund 6.000 mm Regen pro Jahr zählt Tortuguero zu den niederschlagsreichsten Regionen Costa Ricas – ein Grund für die atemberaubende Artenvielfalt.
Die Vegetation ist geprägt von mächtigen Waldmandelbäumen, die über 50 Meter hoch werden können und als Nistplatz des seltenen Großen Grünen Aras sowie als Schlafplatz für die allgegenwärtigen Faultiere dienen. An den Ufern wachsen Feigen, Mimosen, Blutsbäume und Raphiapalmen. Lianen hängen wie grüne Vorhänge von den Ästen und machen den Wald fast undurchdringlich.
Tierwelt von Tortuguero
Der Nationalpark ist ein Hotspot der Biodiversität. Hier leben:
Rund 400 Vogelarten, darunter Tukane, Eisvögel und der seltene Große Grüne Ara
Sechs Wildkatzenarten – Jaguar, Puma, Ozelot, Margay, Jaguarundi und Oncilla
Drei Affenarten: Brüllaffen, Kapuziner und die stark gefährdeten Klammeraffen
Weitere Säugetiere wie Manatis, Tapire, Faultiere und Fledermäuse
Zahlreiche Reptilien, darunter Kaimane und Krokodile
Bunte Frösche wie der berühmte Rotaugenlaubfrosch
Besonders faszinierend ist die enge Beziehung zwischen Jaguar und Meeresschildkröten: Während der Nistsaison jagen Jaguare am Strand die Schildkröten – ein Verhalten, das in dieser Form nur in Tortuguero dokumentiert wurde.
Forschung & Schutzprojekte
Tortuguero ist heute ein wichtiges Zentrum für Naturschutz. Neben den Meeresschildkröten-Projekten gibt es Studien zu Zugvögeln, Fledermäusen und Jaguaren. Die Beobachtungen aus der Region liefern wertvolle Daten für den weltweiten Artenschutz.
Gleichzeitig zeigt sich hier, wie Ökotourismus und Forschung Hand in Hand gehen können: Besucher aus aller Welt finanzieren durch ihre Aufenthalte den Schutz dieses einzigartigen Ökosystems.
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Der weltgrößte Hotspot für Schildkröten
Von den sieben Meeresschildkrötenarten weltweit kommen fünf nach Costa Rica, und gleich vier davon nisten in Tortuguero – ein Naturwunder von globaler Bedeutung. Alle diese Arten sind stark gefährdet, weshalb Tortuguero eine Schlüsselrolle im internationalen Artenschutz spielt.
Die Grüne Meeresschildkröte
Zwischen Juni und Oktober kommen mehrere tausend Grüne Meeresschildkröten (Chelonia mydas) an den Strand von Tortuguero. Jede legt im Durchschnitt rund 110 Eier. Nach etwa zwei Monaten schlüpfen die Jungen – nur wenige überleben und kehren nach 25 bis 50 Jahren zur ersten Eiablage zurück.
Früher wurde diese Art als „Suppenschildkröte“ bezeichnet, da ihr grünliches Körperfett für Suppen genutzt wurde. Heute ist sie streng geschützt. Ihr Panzer ist nicht grün – die Farbe stammt vom Fett, das durch ihre Ernährung mit Seegras entsteht.
Die Lederschildkröte
Von März bis Juni erreicht die größte Meeresschildkröte der Welt Tortuguero: die Lederschildkröte (Dermochelys coriacea). Mit über zwei Metern Länge und einem Gewicht von bis zu 700 kg ist sie ein Gigant der Ozeane. Ihr flexibler, lederartiger Panzer unterscheidet sie von allen anderen Arten.
Lederschildkröten sind Tiefseetaucher und ernähren sich hauptsächlich von Quallen. Doch die Bedrohung durch Plastikmüll ist immens: Plastiktüten werden von ihnen leicht mit Quallen verwechselt – oft mit tödlichen Folgen. In Tortuguero kommen jährlich etwa 100 Weibchen an Land, während die wichtigsten Brutplätze an der Pazifikküste (Playa Grande) und an der Karibik (Playa Manzanillo) liegen.
Die Karettschildkröten
Zwei weitere Arten erscheinen nur in geringer Zahl:
Die Echte Karettschildkröte (Eretmochelys imbricata), hochbedroht, weil ihr Panzer für Schmuck und Kunsthandwerk genutzt wurde. Sie lebt bevorzugt in Korallenriffen und ernährt sich von Schwämmen. Ihre Nistsaison dauert von April bis Oktober.
Die Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta), die in Tortuguero sehr selten geworden ist. Sie erscheint, wenn überhaupt, zwischen April und Mai.
Forschung und Schutzprojekte
Tortuguero ist das Zentrum moderner Schildkrötenforschung. Bereits in den 1950er-Jahren begann der Biologe Archie Carr hier mit Studien. Er gründete die Caribbean Conservation Corporation (CCC), die heute als Sea Turtle Conservancy (STC) bekannt ist.
Noch heute werden in jeder Saison Schildkröten nach der Eiablage markiert, vermessen und genetisch untersucht. Auch ganze Nester werden dokumentiert, Eier gezählt und die Schlüpfraten erfasst. Seit 2000 werden einzelne Tiere mit Satellitensendern ausgestattet – so lassen sich ihre Wanderungen durch die Ozeane in Echtzeit verfolgen.
Wer möchte, kann diese Daten auf der Website der STC verfolgen und live miterleben, wie „Tortugueros Schildkröten“ auf ihren Reisen tausende Kilometer zurücklegen.